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War die Zwangsarbeit in den Nürnberger Prozessen noch ein Hauptanklagepunkt, wurde sie danach schnell verdrängt. Im Schuldabkommen von London 1953 wurde eine Entschädigung bis zum Abschluss eines
Friedensvertrags zurückgestellt. Auf die 100 Milliarden aus dem Bundesentschädigungsfond von 1953 hatten ausländische NS-Opfer keinen Anspruch. Viele ehemalige Zwangsarbeiter aus Osteuropa waren unterdessen hinter
dem Eisernen Vorhang verschwunden.
Aktuell wurde das Thema erst wieder nach dem Ende des Kalten Krieges. 1,5 Milliarden Mark waren Anfang der neunziger Jahre von der Regierung Kohl an die osteuropäischen Länder überwiesen worden. Das
Geld wurde jedoch nur zu einem kleinen Teil ausbezahlt und versickerte oftmals in dunklen Kanälen. Das Bundesverfassungsgericht entschied 1996, dass Klagen von Opfern in Deutschland zulässig sind. Im August 1998
wurden Sammelklagen gegen Volkswagen, BMW, Daimler-Benz, Siemens, Krupp, MAN und Leica eingereicht. Siemens und Volkswagen richteten daraufhin eigene Fonds ein.
Mark Spoerer, Historiker an der Uni Hohenheim, schätzt, dass im Jahr 2000 noch 2,7 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter am Leben sein dürften. Im Februar 1999 einigten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder,
der die Entschädigung offensiv angehen wollte und zwölf deutsche Unternehmen auf die Einrichtung eines Stiftungsfonds. Später schlossen sich vier weitere Firmen an, zusammen sind sie die sechzehn Gründer der
Stiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft”.
Otto Graf Lambsdorff (FDP) übernimmt als Beauftragter des Bundeskanzlers die Verhandlungen mit den Opferanwälten. Die Verhandlungen ziehen sich in die Länge, umstritten ist die Höhe der
Entschädigungssumme und die Rechtssicherheit für die Firmen. Mitte Juli 2000 kommt es zum entscheidenden Durchbruch bei den Verhandlungen. Mit insgesamt 10 Milliarden Mark wollen Bundesregierung und Industrie, die
sich die Kosten je zur Hälfte teilen,
die ehemaligen Zwangsarbeiter entschädigen. Die Auszahlungen sollen durch Stiftungen in den jeweiligen Ländern erfolgen. Sogenannte Sklavenarbeiter, die in Konzentrationslagern zur Arbeit gezwungen wurden, werden mit je 15000 Mark entschädigt, Zwangsarbeiter außerhalb von Konzentrationslagern mit 5000 Mark. Allein zwei Drittel der Gesamtsumme geht an Opfer aus Polen. Um deutsche Firmen vor weiteren Klagen zu schützen, gibt die US-Regierung ein "statement of interest" ab, mit dem den Gerichten empfohlen wird, Klagen abzuweisen. Die US-Gerichte sind jedoch unabhängig.
Am 13. März 2001 erklärten die etwa 6000 Firmen, die der Stiftung “Erinnerung, Verantwortung, Zukunft” beigetreten sind, dass sie ihren Wirtschaftsanteil von fünf Milliarden Mark zusammen haben. Als
Richtgrößen schlägt die Stiftung bei Industrieunternehmen ein, beim Handel 0,1 Prozent des Umsatz vor. Banken sollen sich mit 0,1 Prozent der Bilanzsumme beteiligen.
Nach Abweisung der letzten Sammelklagen in den USA, stellte der Deutsche Bundestag am 30. Mai 2001 fest, dass ausreichende Rechtssicherheit für die deutschen Unternehmen gegeben sei. Damit war die
Vorraussetzung für Auszahlungen an die Opfer über die Partnerstiftungen gegeben.
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